Römer & Treverer
Neumagen-Dhron - ein geschichtsträchtiger Ort
Die römische Vergangenheit hat der Leiter des Rheinischen Landesmuseums in Trier, Dr. Heinz Cüppers, im Heft 135 – Rheinische Kunststätten – Herausgeber Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln, ausführlich und sachkundig geschildert. Die Ausführungen des Verfassers werden deshalb inhaltlich wiedergegeben.
Historisches Wegekreuz
An der römerzeitlichen Fernstraße Trier – Mainz liegt Neumagen an einer Umgehungsstrecke, die unter Vermeidung starker Gefälle und Steigungen über die Straßenstationen und einheimischen Siedlungen Rigodulum = Riol (den Schlachtort des Jahres 69/70 n. Chr.), Detzem – ad decimum miliarium (zum 10. Meilenstein) entlang der Mosel weiter nach Neumagen führt. Diese Station, 15 Leugen = genau 33 km von Trier entfernt, ist an einer geringfügigen Geländeausweitung gelegen, die von den steilen Hängen des Kron-Berges im Süden, der Dhron, einem Seitenbach der Mosel im Norden, und dem Flusse selbst auf natürliche Weise geschützt wird. Dem Orte gegenüber erheben sich ebenfalls steile Berge, die nur einen aus dem Tal in westlicher Richtung führenden Zugang entlang des Zweibaches gewähren und eine Verbindung zu dem Fruchtland der „Wittlicher-Senke“ und den Anschluss an die römische Verbindungsstraße von Trier zum Rhein bei Koblenz und Andernach bietet. Hier hat sich wohl eine Furt befunden, die schon in vorgeschichtlicher Zeit begangen, in römischer Zeit wahrscheinlich durch eine Fährverbindung den vermehrten Ansprüchen des Straßenverkehrs angepasst worden sein dürfte. Darauf deutet ein kleines Heiligtum, das südlich vom Orte unweit der Marterkapelle aufgefunden wurde und nach der erhaltenen Inschrift auf einem Weihealtar, dem „Mercurius Bigentius“, bestimmt war. In diesem Namen erkannte man einen einheimischen Schutzgott, der auch in dem Namen des benachbarten Ortes Piesport – im Mittelalter porto Pigontio die Furt des Bigentius – weiterlebt.
Niederungen, die Hanglagen entlang der Mosel und die weiten Flächen des Kronberges hatten schon frühzeitig Siedler angelockt. Ziemlich am westlichen Rande der weitläufigen Terrasse des Kronberges wurden Scherben von handgearbeiteten Gefäßen und ein Mahlstein aus Granit in einer Kiesgrube gefunden, die eine erste Besiedlung der Umenfelderzeit um 1200 v. Chr. sichern. Im Distrikt „Auf dem Kartei“ wurden frührömische Brandgräber freigelegt, die erweisen, dass zu Beginn des l. Jahrhundert n. Chr. Siedler, nach dem Beigabeninventar zu schließen einheimische Treverer, hier die Vorteile günstiger Verkehrslage mit den Möglichkeiten des Güteraustausches und landwirtschaftlicher Produktion zu nutzen suchten.
Bronzefigur eines MarsInnerhalb der späteren Kastellmauern wurden Reste verschiedener Wohnbauten angeschnitten, die dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. zuzurechnen sind. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang die Bronzefigur eines Mars, 21,2 cm hoch, die in einer Zerstörungsschicht der Ansiedlung zu Tage kam.
Im Itinerarium Antonini, einem Reisestreckenverzeichnis des römischen Weltreichs aus der I. Hälfte des 2. Jahrhunderts, ist Neumagen aufgeführt (Itin. Anton. 371,4). Wir finden Neumagen weiter in der „tabula Peutingeriana“, einer Straßenkarte Ende des 4. Jahrhunderts. Später mit Namen Nobia als 6. Ort zwischen Trier und Bemkastel in der von dem Geographen von Ravenna Ende des 4. Jahrhunderts verfaßten Moselbeschreibung.
Der Ortsname und die bisher bekannt gewordenen Funde machen es wahrscheinlich, daß zu Beginn des l. Jahrhunderts die Station als Marktort aus kleinsten Anfängen sehr schnell aufblühte und an Bedeutung gewann. Das weite Hinterland bis zu den Hunsrückhöhen wurde durch den Ausbau der schon vorgeschichtlichen Wege zu Straßen des Fernverkehrs erschlossen. Dies brachte der Ansiedlung an der Mosel insofern erheblichen Vorteil, als die Römerstraße wenig moselabwärts bei Niederemmel den Fluß verläßt und mit sanftem Anstieg die Hunsrückhöhen gewinnt, um erst in beträchtlicher Entfernung bei Koblenz und Bingen den Rhein und die an ihm liegenden Militär- und Wirtschaftszentren zu erreichen. So erlangte der Marktort für den Umschlag der an der Mosel und im Hunsrück erzeugten Güter eine Vorrangstellung. Massengüter wurden hier auf Handelsschiffe verladen, Import- und Exportgüter von hier den Bewohnern des Hunsrückgebietes vermittelt.
Von den weiten Hangflächen werden landwirtschaftliche und bergbauliche Erzeugnisse den Weg über Neumagen nach Trier genommen haben. Vieh von den Weidetriften des Flußtales und nicht zuletzt auch der Wein, produziert an den sonnigen Steilhängen des Moseltales, haben gleichermaßen einen bedeutenden Anteil des Warenaufkommens gebildet. Femer wird der Holzreichtum des Hunsrücks der Bedarfsdeckung einer Stadt wie Trier gedient haben, indem große Mengen Bauholz und Holzkohle per Achse und Schiff von hier der Moselmetropole zugeführt wurden. Gleichzeitig darf aber auch daran gedacht werden, daß in Neumagen selbst größere Werkstätten und Handwerksbetriebe bestanden, die Möbel, Fässer, Fuhrwerke und Frachtschiffe fertigten. Daneben werden wir uns die Ansiedlung mit ihren Anlegestellen, Speichern und Stapelplätzen noch um Kneipen und Übernachtungsstätten vermehrt vorzustellen haben, denn eine Tagereise von Trier entfernt, lag eine wichtige Funktion der Station darin, Mensch und Tier Unterkunft für die Nacht zu bieten. Schmieden und Pferdewechsel werden das Ortsbild ergänzt haben.
Fotos/Herkunft/Rechte: Rheinisches Landesmuseum Trier / Thomas Zühmer
In den Wirren der Invasionen des 3. Jahrhunderts und mit dem Zusammenbruch der Grenzverteidigung sank der Ort in Schutt und Asche. Die Villen, Höfe und Siedlungen, Dörfer und Städte wurden zerstört, die Bewohner vertrieben. Marodierende Truppen und heimatlose Bürger durchzogen, das Zerstörungswerk der germanischen Völker fortsetzend, das Land.
Als nach über 20jähriger Unsicherheit gegen Ende des 3. Jahrhunderts unter Kaiser Diocietian eine umfassende Reform des Staates die Verhältnisse ordnend die westlichen Provinzen einem Caesar mit Sitz in Trier zuwies, erlebten das Trierer Land und die Rheinzone einen neuerlichen Aufschwung. Dem Wiederaufbau der Städte und Dörfer wird in constantinischer Zeit der Ausbau eines tiefgestaffelten Verteidigungssystems hinzugefügt, dazu bestimmt, Ruhe und Ordnung, die Sicherheit des Verkehrs, des Handels und der landwirtschaftlichen Produktion wieder herzustellen. Unter Constantin d. Gr. wird die Station Neumagen zu einer Festung ausgebaut, die eine natürliche Riegelstellung am Zugangsweg nach Trier bildete und bis in die Neuzeit bestand.
Die, so will es uns vorkommen, offenbar in kürzester Frist angeordnete Errichtung und Fertigstellung des Befestigungswerkes veranlaßte die leitenden Architekten, die dicken Mauern aus dem örtlich anstehenden Schieferstein auf ein solides Fundament großer Kalk- und Sandsteinquader zu stellen, ein Material, das in der Nähe nicht, wohl aber an der Obermosel und in der Trierer Talweite abbauwürdig und in großen Mengen zur Verfügung stand. Da andererseits drohende Gefahr oder reine Zweckmäßigkeit eine schnelle und billige Beschaffung empfahlen, räumte man, wie an zahlreichen anderen Orten der Rheinzone (Alzey, Jünkerath, Arlon), die antiken Gräberfelder mit ihren monumentalen Grabbauten ab und transportierte die zum Teil sicherlich schon durch die Franken und Alemannen zerstörten Denkmäler per Schiff und Wagen zu den militärischen Großbaustellen. Nach Neumagen, so lehren die Beobachtungen der Ausgräber und Bearbeiter, wurden wenigstens 40 große und viele kleinere Grabmäler herangebracht und zum Teil so, wie die Fuhren zusammengestellt waren, verbaut. Diesem Umstand verdanken wir heute einen Denkmalbestand, der seinem Umfange nach den pergamonischen Funden gleich, uns die wertvollsten Illustrationen zum Leben und Treiben der Bewohner des Trierer Landes zur Römerzeit darbietet. Zugleich aber sind die erhaltenen Darstellungen und Inschriften wichtiges Material zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte dieses Teiles des Römischen Weltreiches im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr.
Im weiteren Verlauf des 4. Jahrhundert wird das „Castrum“ wiederholt seine Aufgabe als Fort-, Befestigungs- und Sperriegel an dem Zugangsweg von Norden her nach Trier bewiesen haben, so z. B. als kurz nach der Mitte des Jahrhunderts germanische Völker in Scharen von Norden und Osten her nach Gallien einfielen. Einer relativ kurzen Zeit der Sicherung der Rheingrenze unter Valentinian folgten neuerliche Durchbrüche der Franken. Die allgemeine Verschlechterung der Machtverhältnisse führte zur Verlegung der Präfektur und der Residenz von Trier nach Aries bzw. nach Mailand und um 400 zum Abzug der römischen Grenztruppen vom Rhein.
Im Ortsteil Dhron, der sicherlich etwas von der römischen Straße entfernt lag, wurden die ausgedehnten Reste einer großen Villenanlage freigelegt, die, nach den Funden zu urteilen, vom 2. bis 4. Jahrhundert nach Chr. belegt war. Auf eine schon römerzeitliche Brückenkonstruktion weisen mehrere Pfähle hin, die in größerer Tiefe zu Tage kamen. Auch Papiermühle hat Zeugnisse antiker Vergangenheit. Bei der Flurbereinigung 1974 wurden am Westhang des Dhrontales, wenige hundert Meter vor dem Ort, acht Gräber freigelegt, die Reste von Krügen, Schalen, Töpfen und Tellern mit Leichenbrand enthielten. Nach Auffassung der Archäologen handelte es sich bei der Freilegung um den Anschnitt eines Gräberfeldes.
Auch die Schönheit des Dhrontales schätzten die Römer. Fast zur gleichen Zeit wurden im Distrikt „Unten im Kundel“ Mauerreste freigelegt, die die Grundrisse zweier römischer Bauten darstellten. Ein Gebäude zeigte den typischen Grundriß eines Gutshauses mit vorspringenden Eckteilen. In einem dieser sogenannten Risaliten befand sich ein Baderaum. Vier Räume hatten Heizvorrichtungen. An diese schloß sich ein Frigidarium (kaltes Bad) an. Ein Säulengang (Portikus) verband das Bad mit dem westlichen Risaliten. In der Mitte war eine große Halle, in der sich eine Feuerstelle befand. Die Villa hatte eine Ausdehnung von 21,25 m. Der nahegelegene zweite Bau (10 m x 9,29 m) war in mehrere Räume eingeteilt und diente offensichtlich gewerblichen Zwecken.